Alexander Renner

Warum sie immer denken müssen – Mind Wandering

Wir müssen denken. Es liegt in unserer Natur als Mensch. Aber warum müssen unsere Gedanken wandern? Ich bin den verschiedenen Themen, Inhalten und was im Gehirn geschieht nachgegangen. Dabei geht es um Denkmuster und ihre Notwendigkeit zum Überleben. Ihr „Default Mode Network“ (DMN) im Gehirn ist für das „automatische“ Denken, Tagträumen oder Mind Wandering verantwortlich. Wir sehen uns das mal näher an.

Bild: Elvert Barnes from Hyattsville MD, USA, 02.Hot8.Storm.SFLF.WDC.7jul06 (188122136), CC BY 2.0

Gedanken wandern – aber wohin?

Wenn sie merken, daß sie denken, auch wenn sie nicht auf etwas konzentriert sind, dann lassen sich ihre Gedanken in drei unterschiedliche Zeitschienen einteilen. Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Oder bestimmte Emotionen über ein bestimmtes Ereignis „kochen hoch“. Diese Gedankenspiele sind wichtig und unterscheiden uns Menschen von anderen Lebewesen. Bewerten wir also diese Gedanken nicht, sondern beobachten sie erst einmal. Ihr Geist schweift ab und sie verfangen sich in Gedanken über…? Über was?

Vergangenheit

Sie gehen im Geiste eine Situation durch, die sie in der Vergangenheit erlebt haben. Das kann am selben Tag oder vor Wochen, Monaten oder gar Jahre her gewesen sein. Oft kommen Variationen dieser Situation vor. Schöne Momente lassen angenehme Gefühle wieder hochkommen. Negativ bewertete Ereignisse werden analysiert. Was ist schief gelaufen? So muß es das nächste mal besser werden. Handlungsmuster können hier ertappt werden: „Ah, ich falle doch immer wieder auf diese Masche rein“, „Es ist doch jedes mal das Selbe“. Das sind Beispiele für Gedanken in der Vergangenheit. Sicher fallen ihnen sofort welche bei sich ein.

Gegenwart

Was denken sie über das Jetzt? Sie bewerten die Situation in der Arbeit, Meditation, beim Sport oder im Kino. Was tue ich hier eigentlich? Oder: „Das ist ja echt spannend. Gut gemachter Film.“ In der Meditation: „Mein Knie tut mir weh, ich bin überhaupt nicht ruhig, ständig denke ich was, ich mag das Singen hier gerne. Macht mir ein gutes Gefühl.“ Sie beschreiben ihre Ist-Situation im Jetzt und bewerten sie.

Zukunft

Gedanken in die Zukunft sind oft „Tagtraum-Strategien“. Was-wäre-wenn… Sie gehen eine Situation in der Zukunft durch, malen sie sich aus. Häufig ist es immer wieder die gleiche Situation. Das kann ein Vorstellungsgespräch für einen wichtigen Job sein, die eigene Hochzeit, Geburt des Kindes oder der Ausgang eines Sportwettkampfes. Dabei bauen wir oft Erwartungen auf, in dem wir die Situation detailreich durchgehen, damit positive Emotionen zulassen und uns ausmalen, wie es werden wird. Oft kommt es dann anders…

Beispiel Mammutjagd

Diese Art des Denkes unterscheidet uns Menschen von anderen Spezies. Sie ist einer der Gründe, warum der Mensch sich auf der Erde durchgesetzt hat. Das war überlebenswichtig und hat sich als Fähigkeit in uns erhalten. Es ist also völlig normal, zu denken. Stellen sie sich vor, sie lebten in der Steinzeit und wären mit einer anderen großen Sippe auf der Jagd nach einem Mammut, das sie in die Enge treiben wollen.

Nun durchleuchten wir die Aktion: Die letzte Jagd in der Vergangenheit nochmal durchzugehen, ist wichtig, um beispielsweise Fehler zu erkennen. Was lief falsch? Was war gut? Woran lag es, daß wir erfolgreich waren? Das müssen wir das nächste mal wieder so machen… Wenn sie ihre Situation in der Gegenwart bewerten, kann das erfolgskritsch sein. Stehe ich richtig in Deckung? Ist hier keine zu große Lücke? Warum winkt der links neben mir? Und schließlich das Durchspielen der Jagd in der Zukunft. Sie besprechen sich vorher und gehen die Jagd im Geiste durch, machen einen Plan, eine Strategie. Diese Denkweisen haben sich bis heute in den Alltag gerettet. Nun durchdenken sie nicht nur die großen oder kritischen Aktionen ihres Lebens, sondern auch die kleinen, alltäglichen, schönen oder weniger schönen Erlebnisse.

Ruhezustandsnetzwerk – Default Mode Network

Gehirn Areale beim Denken im DMN

Warum aber denken sie überhaupt? Wir Menschen haben ein „Ruhezustandsnetzwerk“ im Gehrin. Das sind Areale, die aktiv werden und denken, wenn gerade sonst nichts ansteht. Sozusagen, der Pause-Modus. Sobald sie eine Aufgabe erhalten, die sie fordert, schaltet das Gehirn vom Ruhezusand in den Aktivzustand und tut, was notwenig ist, die Aufgabe zu erledigen. Das kann sowohl eine rein geistige oder auch körperliche Aufgabe sein.

Da im Ruhezustand beim Denken mehrere miteinaneder verbundene Gehirnareale aktiv sind, sprechen wir von einem Netzwerk. Das Default Mode Network (DMN) wurde 2001 erstmals beschrieben. Sind sie fokussiert, setzen ihre Abschweif-Gedanken aus. Wenn sie nun eine Aufgabe erledigen, für die sie keinen Fokus benötigen, schaltet ihr Gehirn auch in den DMN und sie fangen an, tagzuträumen. Sie kennen das sicher vom Autofahren, Gemüse schneiden, Garten- oder Hausarbeit. Erlernen sie eine neue Aufgabe, fokussiert ihr Gehirn solange, bis sie sie können. Kommen sie dann in einen Routine-Modus, schaltet es wieder in den DMN-Zustand und die Gedanken wandern wieder umher.

Denken während der Meditation

In der Meditation haben wir oft das Ziel, nichts zu denken. Das ist aber auch nach jahrelanger Praxis über längere Zeit nicht durchzuhalten. Deshalb wurden verschiedene Meditations-Techniken entwickelt, die ihr Gehirn beschäftigen sollen. Dazu gehören z.B. Singen, Body-Scans, Fokus auf Gegenstände, die Vorstellung in bestimmten Situationen oder Gefühlen zu stecken oder Bewegungsmeditationen. Kurz: Das Tagträumen oder Herumdenken wird durch gezielte und gewollte Gedanken ausgetauscht. Der Zustand des Nicht-Denkens gelingt oft nur für kurze Zeitstrecken.


Quellen zum Nachlesen:

Dynamics of neural recruitment surrounding the spontaneous arising of thoughts in experienced mindfulness practitioners

Undirected thought: neural determinants and correlates.

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