Alexander Renner

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Keine Zeit haben ist nicht cool

Kennst du auch Leute, die keine Zeit mehr haben? Egal ob Familienmenschen oder Berufstätige. Stell dir vor, du triffst jemanden wieder und fragst: “Na, wie geht´s dir so?” Und die Person antwortet: “Ich hab total viel zu tun. Keine Zeit. Richtig viel los gerade.” 

Der meint das auch so. Sein Kalender ist voll, er dafür nach der Arbeit leer.  Erfolgreiche dürfen keine Zeit haben, keine leeren Felder im Kalender, keine Wartezeiten am Flughafen. Selbst beim Autofahren nehmen sie an Telefonkonferenzen teil, den Laptop auf dem Beifahrersitz und klicken sich durch die Präsentation. Sie finden dann cool, wie zeiteffizient das ist.

Keine Zeit haben ist nicht cool

Die meisten Menschen ignorieren den naturgegebenen Rhythmus ihres Körpers. Unser Bio-System ist über 300.000 Jahre alt und zu Höchstleistungen fähig – wenn man es optimal nutzt.

Jeder kennt heutzutage jemanden, der vor einem Burnout steht oder schon mittendrin ist. Therapeuten, die Menschen mit Burnout, Streß oder Überlastung beraten, sind sehr gefragt.  Tatsächlich wäre ein gesunder und leistungsoptimierter Rhythmus wichtiger. Effizientes Zeitmanagement zielt häufig darauf, die gegebene Zeitmenge noch besser zu nutzen. Mehr in weniger Zeit zu schaffen. Die gewonnen Freiräume werden anschließend mit weiteren Aufgaben und Terminen gefüllt. 

Eine aktuelle Studie des Bundesamts für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin bestätigt meine Einschätzung (Pdf-Link). Jeder zweite Beschäftigte leidet unter Müdigkeit, Erschöpfung oder Niedergeschlagenheit. Hohe Anforderungen, häufige Störungen, Multitasking und die ins Privatleben hinein erwartete Erreichbarkeit sind die Gründe. Die große Schlafstudie der DAK 2017 bestätigte, daß über 80% der Erwerbstätigen unter Schlafstörungen leiden.

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8 von 10 Erwerbstätigen haben Schlafstörungen

Der Grund: Zu wenig Zeit zum Innehalten.

Gerade Manager in der Wirtschaft sitzen an Schaltzentralen und sind für das (Berufs-)Leben vieler Menschen verantwortlich. Sie müssen zuerst ihr eigenes Leben in den Griff bekommen.

Der vorsitzende Geschäftsführer eines großen Unternehmens zeigte mir einmal seinen digitalen Kalender. Er war im halbstündigen Takt voll. Von früh morgens bis abends keine Lücke. Ich fragte ihn, wie viele dieser Termine er davon initiiert habe. Seine Antwort war verblüffend: Vielleicht ein viertel. Also gerade einmal 25% der Termine des Managers gingen auf seine Kappe. Alle anderen wurden ihm von anderen Mitarbeitern, meist aus dem mittleren Management, eingestellt. Denen erging es wiederum mit ihren Teams genauso. Ein innerkulturelles Phänomen also.

Kalender voll – Energie-Akku leer

Ich ließ mir ein paar seiner Termine erklären und fragte ihn bei jedem, ob er ihn nicht einfach streichen könnte und das Meeting trotzdem stattfinden ließe. Wenn er etwas zu entscheiden hätte, könnte ein 10 minütiger Termin für das Briefing und die Entscheidung zeitnah im Anschluß reichen.

Die Adlerperspektive einnehmen

Nur wenn sie sich immer wieder herausnehmen aus dem täglichen Wahnsinn, gewinnen sie einen klaren Blick. Ich nenne es den » Über-Blick«. Am besten gelingt das, wenn man selbst nicht städig mitten drin ist, vielleicht sogar Teil des Problems. Das gilt für Unternehmen genauso wie für Familien. Der Blick über den Dingen ist essenziell, um Probleme gut lösen zu können. Hier hilft es eben häufig, die Perspektive des Adlers einzunehmen.

5 mutige Schritte für mehr Zeit

  1. Auszeittermine in den Kalender eintragen.
    Gerade Zwischenauszeiten während des Tages sind wertvoll. Deshalb gehören sie auch in den Kalender als Block. Als Mensch braucht man nach Leistungsphasen auch Erholungsphasen. Sportler, die Spitzenleistung abliefern müssen, wissen das. Und Manager, die Spitzenleistung abliefern müssen?
  2. Zwischendurch rausgehen und die Szenerie verlassen.
    Das sorgt für frischen Durchzug im Kopf, mehr Sauerstoff, Bewegung des gesamten Körpers, bessere Durchblutung, Lymphzirkulation und und und… Wenn man wieder zurück kommt, hat man eben häufig einen anderen Blick auf die Dinge. 
    Ebenso kann man Meetings auch mit mehreren Personen im Freien beim Gehen abhalten. Der Szenerie-Wechsel wirkt oft Wunder. 
  3. Mitarbeiter oder Familienmitglieder entscheiden lassen.
    Das ist sehr häufig eine führungskulturelle Sache: Muß ich überall dabei sein und mitentscheiden? Natürlich nicht. Halte dich einfach öfter zurück. Lasse die anderen entscheiden, gib ihnen Verantwortung und das Gefühl wichtig zu sein. Und als Konsequenz: Lerne mit der Entscheidung anderer zu leben und ihren Weg zu akzeptieren.
  4. Fokus am morgen
    Lege die drei wichtigsten Aufgaben des Tages fest. Als Konsequenz in der Anfangsphase: Streiche die anderen Termine. Später: Nimm solche Termine erst gar nicht an.
    Lege dir auch Termine in den Kalender zum fokussierten Arbeiten an einem Thema. Ein Kalender ist nicht nur zum Eintragen von Meetings da. 
  5. Abends und Nachts ist die Zeit für Regenerierung.
    Der Abend ist die Zeit zum Herunterfahren des Leistungsapparates. Melatonin wird gebildet, die Müdigkeit soll kommen. Gib deinem angeborenem Tag-Nacht-Rhythmus seinen Raum. Nachts ist die Zeit des Tiefschlafes. Das Bio-System Mensch regeneriert sich. Dein Leistungs-Akku wird wieder aufgeladen. Diese Zeit ist für ein Unternehmen oder die Familie genauso wertvoll, wie die Anwesenheit und Arbeit tagsüber. 

Der Geschäftsführer hat sich übrigens auf das Experiment eingelassen und freigewordene Termine für fokussierte Arbeit an eigenen Themen und Auszeiten genutzt.

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